Tutorial Geschichte Kölns im Mittelalter
Ripuarisch lesen – leicht gemacht
Vor allem die Volkssprache in Kölner Quellen des 15. und 16. Jahrhunderts ist für heutige Leser schwer zu verstehen. Ein wichtiger grammatikalischer Unterschied zum modernen Deutsch ist die Verwendung der doppelten Verneinung (so auch im Mittelhochdeutschen und im modernen Französisch, „ne…pas“, „ne…rien“, „ne…personne“): „en … niet“, „en… geen“ (kein) usw. Viele Wörter und Wendungen sind ans Niederländische sind, s. z.B. „veilig“ (nl. veilig) = nhd. sicher, oder „verhausen“ (nl. verhuizen) = nhd. umziehen.
Lautes Lesen hilft!
Dabei sind folgende Ausspracheregeln zu beachten:
- Ein „i“ oder „e“ nach Vokalen ist häufig zu lesen als Dehnungsbuchstabe, vergleichbar unserem modernen ‚stummen h‘ etwa in ‚Stuhl‘ oder ‚Möhre‘ oder dem Dehnungs-e nach i in ‚die‘ oder ‚Liebe‘. Heute sind diese Dehnungsbuchstaben noch in Ortsnamen zu finden, s. etwa Roisdorf und Grevenbroich oder Soest. Für Beispiele aus mittelalterlichen Texten s. „boich“ = nhd. Buch; „leirmait“ = nhd. Lehrmagd; „wairheit“ = nhd. Wahrheit; „raet der stat“ = nhd. Stadtrat; „doen“ = nhd. tun.
- Der Vokal „o“ entspricht im Hochdeutschen häufig „u“ (Senkung des Vokals u=>o), z.B. „doen“ = nhd. Tun; „zo“/ „tzo“ = nhd. zu; „boissen“ = nhd. büßen.
- Beim Hilfsverb „sollen“ findet sich häufig die Entrundung des Vokals „o“ zu „a“: „[er] sal“ = nhd. „[er] soll“.
- Gerade bei ‚kleinen‘ Worten wie „dat“, „wat“, „it“, „dit“ neigt das Ripuarische zu den unverschobenen Formen wie im Niederdeutschen. Oft unverschoben bleiben außerdem Worte mit dem Konsonanten „p“, besonders im Anlaut, z.B. „pund“ = nhd. Pfund, und in der Verbindung mit „m“, „r“ und „l“, z.B. „plegen“ = nhd. pflegen.
- Ein „i“ (in der gedehnten Form u.a. angezeigt durch die Vokaldoppelung zu „ij“) ist oft als Doppellaut „ei“ zu lesen, da die in den hochdeutschen Dialekten am Übergang vom Mittel- zum Frühneuhochdeutschen üblicherweise erfolgte Diphtongierung im Ripuarischen oft fehlt, z.B. „zijt“ = nhd. Zeit, „blyven“ = nhd. bleiben; „ynhalden“ = nhd. einhalten.
- Im ripuarischen Dialekt entspricht dem hochdeutschen „b“ ein „v“ wie im heutigen Englischen (z.B. „to have“ gegenüber hochdeutsch „haben“); daher schreiben die Schreiber „v“/„f“ und manchmal auch „u“, wo wir im Standarddeutschen ein „b“ sprechen; z.B. „haven“ = nhd. haben; „geven“ = nhd. geben; „selver“ = nhd. selbst; „half asvil“ = nhd. halb soviel; „blyven“ = nhd. bleiben.
- Im Ripuarischen hat sich „d“ nicht wie im Hochdeutschen zu „t“ entwickelt, daher schreiben die Schreiber zum Beispiel „dochter“ = nhd. Tochter; „dach“ = nhd. Tag (oder je nach Kontext auch Dach!); „van alders“ = nhd. seit alter Zeit; „gehalden“ = nhd. gehalten; „[er] dede“ = nhd. er tat.
Keine regionale Besonderheit, aber auch in ripuarischen Texten als Verständnisschwierigkeit anzutreffen sind folgende (orto-)graphischen Phänomene:
- Konsequente Schreibung des modernen „ä“ (wie in ‚Mädchen‘) als „e“, z.B. „[er] hette“ = nhd. [er] hätte.
- Indifferenz der mittelalterlichen Schreiber bei der Wahl von „u“ und „v“ (auch „w“ und „f“), die ohne Rücksicht auf ihre phonetische Funktion sowohl konsonantisch wie auch vokalisch verwandt wurden.
- Indifferenz der mittelalterlichen Schreiber bei der Wahl von „i“ und „y“, z.B. „eyn“ = nhd. ein; „myt syme gesynde“ = mit seinem Gesinde; „sy“ = nhd. sie, „yr“ = nhd. ihr.
Wichtige Verhältnis- und Bindewörter u.a.*
as als
buyssen außerhalb
bynnen binnen, innerhalb
des de myn umso weniger
ind und
intgain gegenüber
mer aber
merre mehr
nairre näher
of/off oder
overmitz durch, von
sowilch soviel, welcher?
tuschen zwischen
vurs(creven) vorgeschrieben, oben erwähnt
want weil
wilne weiland, einst (mit Namen: der Betreffende war verstorben)
zo/tzo zu
zo hantz sogleich
* Vgl. hierzu wie auch zum folgenden Abschnitt über die Hilfsmittel Letha Böhringer, Quellen des 15. und 16. Jahrhunderts „op Kölsch“. Hinweise zum Verständnis ripuarischer Texte, URL: historischesarchivkoeln.de/forum/download/file.php?id=3 (zuletzt abgerufen am 31. Januar 2019).