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Publikationsorgan des Monats: Juni '24

Skandale, Sex & Crime in Millionenauflagen

„Quick“ (1948-1992)

Der Zweite Weltkrieg und der daraus resultierende Zusammenbruch des nationalsozialistischen Herrschafts- und Gewaltsystems markierte ab 1945 auch das vorläufige Ende der „gleichgeschalteten“ deutschen Presse. Hinsichtlich der Sphäre der Öffentlichkeit und Kultur standen die Besatzungsmächte nun vor einer wichtigen Aufgabe, nämlich der demokratischen Neuordnung der deutschen Presselandschaft. Mit Blick auf den amerikanischen Zeitschriftenmarkt breitete sich im Deutschland der unmittelbaren Nachkriegszeit die Erkenntnis aus, dass Zeitgenossen immer weniger Zeit und Lust hatten, sich mit langen Reportagen zu beschäftigen. Dennoch war aber weiterhin das gesellschaftliche Interesse vorhanden, Nachrichten zu konsumieren und diese anschaulich sowie präzise vermittelt zu bekommen. Auf Seiten der Leserschaft entstand so auch im Nachkriegsdeutschland der Bedarf eines progressiven Zeitschriftenformats. Doch die Alliierten gaben nur zögerlich Lizenzen an deutsche Medienvertreter heraus. Nach langen Verhandlungen konnte jedoch eine Genehmigung von Diedrich Kenneweg, Theodor Martens und dem Fotografen Hanns Hubmann im März 1948 erworben werden. Dies war neben der gleichzeitigen Gründung des Sterns und der Bunten (damals noch Das Ufer) die Geburtsstunde der ersten deutschen Nachkriegsillustrierten: der Quick in München. Die Zeitschrift durchlebte verschiedene inhaltliche Schwerpunkte und etablierte sich mit ihrem markanten rot-weißen „Q“-Logo zum größten deutschen Bilderblatt in den 1950er und 60er Jahren.

Das Magazin wollte den sogenannten „eiligen Leser“ auf „64 Seiten wöchentlich in 25 verschiedenen Rubriken“ über „alles Wissenswerte aus der ganzen Welt“ informieren, wortwörtlich im kleinen Format – kurz und schnell, wie der Name bereits auf den Punkt brachte – „Aktualitäten über den Fortschritt der Wissenschaften in 31 Zeilen, außerdem auch politische Voraussagen, Polemiken und Kritiken“ abdrucken. Doch diesen durchaus seriösen Selbstanspruch konnte es Zeit seines Bestehens nicht wirklich einlösen. Vielmehr wurden Skandalgeschichten, aufreizende Bilder, Werbung und provokante Themen zu seinen Markenzeichen, die es schnell zu einem führenden und begehrten wöchentlichen Unterhaltungsblatt der westdeutschen Bundesrepublik nach dem Krieg machten. Sex, Kriminalität, Sport, Klatsch und Tratsch über Prominente waren bestimmende Themen der Quick – Neugier, Sensationslust und Nervenkitzel ihre emotionalen Träger. Zudem übernahm das Blatt unterschiedliche Ratgeberfunktionen in den Bereichen Gesundheit, Beziehungsfragen, Mode und zeitgenössischer Schönheitsideale, wie etwa die Serie „Gesund und schön mit Quick“ (1966, s. Abb.), die Lifestyle und Hygiene geschickt zu erotisieren wusste. 

Als leichte und schnelle Lektüre für das alltagstaugliche Zwischendurch, beim Friseur, im Wartezimmer oder auch ungestört im Privatem, entsprach sie den zeitgenössischen Lesebedürfnissen. Die Zielgruppen schienen zunächst junge Leute und emanzipierte Frauen zu sein, da erstmals in intimen Artikeln Tabuthemen der konservativen Adenauer-Ära im Sinne der Neuen Frauenbewegung behandelt wurden. Um den Kaufanreiz zu steigern, porträtierten Filmstars, Adelige, Sportler und andere damalige Prominente die Titelbilder der Zeitschrift. Während in den 1950er Jahren noch der Zeichner Manfred Schmidt seine harmlosen Nick Knatterton Comics unterhaltsam als Detektivabenteuer illustrierte, dominierten ab 1960 Anstößigkeiten und sexualisierte Darstellungen das Blatt. Spätestens durch die Beiträge Oswald Kolles begann die Quick zunehmend ihre Karriere als publizistischer „Sexualaufklärer der Nation“. Dieser Trend zu offen dargestellter Freizügigkeit entfaltete sich vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Umbrüche im Zuge der sexuellen Revolution in den 1960er Jahren, ihrer Enttabuisierung der Sexualmoral und Popularisierung der sexuellen Aufklärung. Angesichts des redaktionellen Insiderspruchs “Titten – Tresen – Temperamente“, der das Programm des Blatts lapidar und nicht ganz unironisch zusammenfassen suchte, verwundert es kaum, wenn die obszönen Inhalte der Quick ihr schon bald den spöttischen Ruf als »TA-Presse« einbrachten, dem sogenannten „Branchenkürzel für Titte und Arsch“.

Wie beliebt das Medium in der Gesellschaft war, bezeugen die stetig steigenden Auflagenzahlen. Nachdem die 110.000 Start-Exemplare schnell vergriffen waren und die Nachfrage wuchs, erreichte das Magazin in ihren Glanzzeiten Auflagen von 700.000 bis zu 1,7 Millionen Exemplare. Wirtschaftlich betrachtet, legen Verkaufszahlen aus den 1960ern nahe, dass Ausgaben mit Aktbildern auf dem Titel erfolgreicher waren als solche mit Politikerportraits. Die Bereitstellung der Zeitschrift als Medium der Sexualaufklärung besaß insofern auch eine entschiedene Marketingdimension. Denn trotz späterer Bemühungen um ein seriöseres Image, führten Konkurrenzkämpfe um Auflagenzahlen mit anderen Illustrierten weiterhin dazu, die von der Zeitschrift umgesetzte „sex sells“-Strategie beizubehalten. Allein 27 Ausgaben zeigten mehr oder weniger nackte Frauen auf dem Titelbild mit dem Ziel, auf eine besonders auffällige Art auch männliche Käufer anzulocken. Ihren Höhepunkt fand die Sexualisierungs- und Skandalisierungstendenz der Quick jedoch in der bundesweiten Beschlagnahmung einer ganzen Ausgabe 1974, als sie die Phallus-Abbildung eines Mannes auf dem Titelblatt abdruckte, was Kontroversen über die rechtlichen Grenzen der Freizügigkeit in Publikumszeitschriften auslöste.

Trotz deutlicher Distanzierung zu einem Polit-Magazin wie dem Stern spielten politische Themen und das eigene politische Selbstverständnis der Quick Ende der 1960er und in den 1970er Jahre eine bedeutende Rolle. So positionierte sie sich als Kampfblatt gegen die sozial-liberale Koalition und veröffentlichte 1972 die geheimen Gesprächsprotokolle des Verhandlungsführers bei den innerdeutschen Entspannungsgesprächen, die in der Hoffnung auf eine „Normalisierung“ der Beziehungen zur DDR von der Regierung unter Bundeskanzler Willy Brandt forciert wurden. Und überhaupt standen die aufklärerisch-emanzipatorischen Momente und Marketingstrategien der Zeitschrift im Kontrast zu den eher konservativen Grundeinstellungen der Herausgeber. So lässt sich die Quick durchaus als ‚Stern von rechts‘ verorten, etwa wenn konservative Politiker in der Zeitschrift besonders volksnah in ihrem Privatleben zu Hause präsentiert wurden. Zwar wurde in den 1980er Jahren weiterhin mit Sex & Crime-Inhalten versucht, die Leserschaft zu fesseln, doch der Auflagenverfall konnte nicht mehr aufgehalten werden. Nach über 40 Jahren verlor die Quick durch das Aufkommen des Privatfernsehens und der nun vielfältigeren Unterhaltungsmöglichkeiten immer mehr ihre Bedeutung auf dem Zeitschriftenmarkt, was 1992 zu ihrer Einstellung führte.

Die Arbeitsstelle für Geschichte der Publizistik verfügt über alle Ausgaben der Quick im Zeitraum von 1948 bis 1992 in Form von Mikrofilmen, die vor Ort eingesehen und gescannt werden können. Die Quick bietet Einblicke in die Mentalitätsveränderungen und gesellschaftlichen Umbrüche von der unmittelbaren westdeutschen Nachkriegszeit über die zwei Jahrzehnte des sogenannten Wirtschaftswunders bis in die frühen 1990er Jahren der Bundesrepublik. Darüber hinaus stellt das Magazin als illustriertes Publikumsmagazin insbesondere eine aufschlussreiche zeitgeschichtliche Quelle für geschlechtergeschichtliche Themen, das Funktionieren moderner Werbung, zeitgenössische Konsuminteressen, die Popularisierung von Sexualaufklärung und die Inszenierung von Geschlechterrollen dar.
 
Diese Ausgabe des Publikationsorgans steht hier zum Download (als PDF) zur Verfügung.

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