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Publikationsorgan des Monats: Oppositionelle Kommunikationsräume des „Vormärz“ I

Deutsche Tribüne. Ein constitutionelles Tagblatt

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Titelseite "Deutsche Tribüne", No. 1 1831.
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Deutsche Tribüne, No. 1 1831, Vorrede an das Publikum.

Publikationsorgan des Monats: Oppositionelle Kommunikationsräume des „Vormärz“ I

„Deutsche Tribüne“ (1831-1832)

 

Auch wenn das frühe 19. Jahrhundert zuweilen fälschlicherweise als Zeitalter des „Biedermeier“ und der Stagnation gilt – die Phase des sogenannten deutschen „Vormärz“ war eine Zeit tiefgreifenden Wandels. Der Zeitraum zwischen der Julirevolution 1830 und den Märzrevolutionen von 1848 war gekennzeichnet von politischen Erschütterungen, die in ganz Europa widerhallten. Geprägt von dem strukturellen Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, dem Bedeutungsgewinn des Konstitutionalismus und des Nationalstaats als alternatives Ordnungsmodell sowie der Transformation vom agrarischen zum industriellen Europa der Moderne, verdichtete sich in jenen Jahren in wachsendem Maße zugleich eine politisch hochmobilisierte „bürgerliche Mediengesellschaft“ (W. Faulstich).

In den 1830er Jahren avancierte die Zeitung dank neuer Reproduktionstechniken zum Leitmedium einer bürgerlichen Öffentlichkeit, die im zeitgenössischen Diskurs des „Vormärz“ Vorbedingung für den geforderten Verfassungswandel und die einzig legitime Grundlage politischer Willensbildung war. Trotz rigoroser Vorzensur entstanden angesichts vielfältiger oppositioneller Verbindungslinien ihrer transnational vernetzten Akteure und der von ihnen herausgebrachten politischen Presse europäische Kommunikationsräume, die das sozio-politische Machtgefüge der europäischen Monarchien herausforderten. Hier fanden liberale, mitunter frühsozialistische Programmatiken, nationalstaatliche Bestrebungen und internationale Solidaritätskampagnen zusammen.

In dieser und den beiden folgenden Ausgaben stellen wir drei prominente, wenngleich höchst unterschiedliche Zeitungen und Zeitschriften des deutschen „Vormärz“ vor, die für ihren jeweiligen Erscheinungszeitraum vollständig als Reprint in der Arbeitsstelle für Geschichte der Publizistik vorliegen. Die „Deutsche Tribüne“ war die mit Abstand bekannteste oppositionelle Zeitung der frühen 1830er Jahre im In- und Ausland und beleuchtet paradigmatisch das enge Verhältnis von Nationalismus und Internationalismus in der liberalen Bewegung des „Vormärz“.

Der Titel der „Deutschen Tribüne“ machte aus ihrem Selbstverständnis keinen Hehl: Als öffentliches Forum eines noch nicht verwirklichten deutschen Nationalstaats gedacht, zielte sie auf die Engführung von Beobachtung und Debatte, um den Leser nicht nur zum informierten Zuschauer, sondern darüber hinaus zum aktiven Fürsprecher des liberalen Freiheitskampfes zu machen. Die Zeitung, die gerade einmal von Juli 1831 bis März 1832 sieben Tage die Woche vierseitig von München aus erschien und ab Februar 1832 das offizielle Vereinsorgan des „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein zur Unterstützung der Freien Presse“ wurde, arrivierte rasch zu einer bedeutsamen Kommunikationsplattform der liberal-nationalen Bewegung in ganz Deutschland und erlangte internationale Bekanntheit. Ihr verantwortlicher Hauptredakteur, der spätere Mitorganisator des Hambacher Fests Johann Georg August Wirth, nutzte zur Verbreitung der „constitutionellen Principien“ alle nur erdenklichen rechtlichen Schlupflöcher, die ihm die vergleichsweise liberale Zensurpraxis des bayerischen Königs Ludwig I. bot. So ließ Wirth nicht selten politisch brisante Artikel drucken, die in anderen Ländern des Deutschen Bundes einer restriktiveren Zensur zum Opfer gefallen waren.

Neben der Verfolgung nationaler „deutscher Interessen“ lag der Schwerpunkt der Berichterstattung der „Deutschen Tribüne“ dezidiert auf gesamteuropäischer Politik. In der Denklogik des liberalen Nationalismus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Streben nach einem Nationalstaat Bestandteil eines zusammenhängenden, von den europäischen Völkern gemeinsam vorangetriebenen Emanzipationsprozesses. Beispielhaft wurden in den Artikeln der Zeitung nationale Unabhängigkeitsbewegungen in Griechenland, Belgien und Italien mit dem Kampf um einen konstitutionell organisierten, deutschen Nationalstaat verschmolzen. Während des polnischen Aufstands gegen das russische Zarenreich 1830/31 berichtete das Blatt ausführlich über den Kriegsverlauf sowie die Resonanz in der deutschen Bevölkerung und wurde zu einem wichtigen Eckpfeiler der international koordinierten Polenhilfe. Über das Hambacher Fest als Manifestation eines internationalen „Völkerfrühlings“ im Mai 1832 konnte die „Deutsche Tribüne“ dann jedoch schon nicht mehr berichten – nach einem Erscheinungszeitraum von etwas mehr als acht Monaten wurde sie durch einen Beschluss der Deutschen Bundesversammlung im März 1832 mit dem Verweis auf ihre vermeintliche Anstiftung zu politischen Aufruhr verboten.

Mit Blick auf die oppositionellen Kommunikationsräume des deutschen „Vormärz“ gibt es noch eine ganze Reihe geschichtswissenschaftlicher Forschungsperspektiven, für die gerade Zeitungen als Leitmedien ihrer Zeit einen erstrangigen Quellenkorpus darstellen. So bieten sich etwa die oppositionellen Geschichtskonstruktionen, das eng verschränkte Verhältnis von Nation und Europa im liberalen Denkhorizont des frühen 19. Jahrhunderts oder die diskursive Verortung des Weiblichen im nationalen Freiheitskampf als weitergehende Untersuchungsgegenstände an.

Diese Ausgabe des Publikationsorgans des Monats steht hier als Download bereit.

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