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Deutschvölkischer Imperialismus

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Titelblatt vom 3. August 1914, Sondernummer zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs

Alldeutsche Blätter“ (1891 – 1939)

„Gedenke, daß Du ein Deutscher bist!“ – Schon mit ihrem Erscheinungsbeginn 1891 zeigten die „Alldeutschen Blätter“ mit der Wahl dieses Leitspruchs ihren zugleich inkludierend und exkludierend gedachten Impetus an. Einerseits agierten die „Blätter“ als radikaler Fürsprecher eines pangermanischen „Deutschtums“, das in der Vision einer nationalen Vereinigung aller „Deutschsprachiger“ die Verwirklichung eines mitteleuropäischen „Großdeutschlands“ anstrebte und insofern die staatsrechtlichen Grenzen des 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreichs auszuweiten gedachte. Andererseits verbanden sich mit dieser völkischen Ideologie paternalistische Vorstellungen der Höherwertigkeit der „deutschen Rasse“, die in imperialen Weltmachtambitionen, der politischen Exklusion ethnischer Minderheiten, der Forderung nach einer kompromisslosen Germanisierungspolitik in Osteuropa und einem scharfzüngigen Antisemitismus mündeten. In den „Alldeutschen Blättern“ gingen so territoriale und koloniale Expansionsgelüste mit einem stark ausgeprägten Nationalismus Hand in Hand.

 

1891 wurde die Zeitung als Publikationsorgan des überparteilichen „Nationalvereins“ ins Leben gerufen. Erst dessen Umbenennung in „Alldeutscher Verband“ 1894 gab dem Blatt seinen aussagekräftigen, ideologisch aufgeladenen Namen. Hinter dem Verband stand eine völkisch-imperialistisch gesinnte Protestbewegung, die sich in der wilhelminischen Ära besonders in bildungsbürgerlichen Kreisen zu formieren begann. Das einende Momentum der im Verein organisierten, aber recht heterogenen Akteure war die scharfe Kritik am sog. Helgoland-Sansibar-Vertrag, den Kaiser Wilhelm II. am 1. Juli 1890 mit London zur geostrategischen Absicherung des Reichs in der Nordseeunterzeichnete. Die darin festgeschriebene Bedingung für die Übertragung Helgolands an das Kaiserreich war die Beschränkung des deutschen Interessensgebiets auf das spätere „Deutsch-Ostafrika“, wodurch die Kolonialenthusiasten die von ihnen angestrebte Hegemonie auf dem afrikanischen Kontinent gefährdet sahen.

 

Auch wenn der "Alldeutsche Verband" mit höchstens 40.000 Mitgliedern keine politische Massenmobilisierung entfalten konnte und die Auflage der wöchentlich erschienenen "Alldeutschen Blätter" mit 6.000-8.000 verkauften Exemplaren vergleichsweise überschaubar blieb, gelang es den Führungsmitgliedern des Alldeutschen Verbands ein Netzwerk persönlicher Kontakte aufzubauen, das ihnen erlaubte, Einfluss auf das politische Kräftemessen auszuüben. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war es vor allem der deutschvölkische Publizist und Politiker Ernst Graf zu Reventlow, der als Chefredakteur der „Alldeutschen Blätter“ in den Jahren 1908 bis 1914 nicht nur einen hetzerischen Antisemitismus, sondern auch die anti-britische Haltung des Blattes forcierte. Vor der Folie des Wettstreits um imperialen Einfluss und maritime Dominanz konstruierten die veröffentlichen Beiträge einen deutsch-britischen Dualismus zur See, der England zum kolonialen Hauptkonkurrenten stilisierte und damit den deutschen Flottenausbau ideologisch untermauerte. Die in allen Bevölkerungskreisen anzutreffende Euphorie dominierte bei Kriegsausbruch 1914 auch die Ausgaben der „Alldeutschen Blätter“. In reißerischen Überschriften kam besonders zum Ausdruck, dass die „Alldeutschen“ den nun militärisch ausgetragenen Konflikt als „Waffensegen“ verstanden, um ihre kolonialen Zielsetzungen zu verwirklichen und der vermeintlichen Überlegenheit des „Deutschtums“ zur Geltung zu verhelfen.

 

Wie in konservativen Kreisen überhaupt empfanden die Vertreter der „Alldeutschen“ die Kriegsniederlage 1918 als „Schmach“. Die „Alldeutschen Blätter“ stimmten daher in den von rechten Parteien geführten Schulddiskurs ein, der in der generellen Ablehnung einer demokratischen Verfassung die „Novemberverbrecher“ geißelte. Der Verlust des gesamten deutschen Kolonialbesitzes durch den Versailler Friedensvertrag 1919 bestärkte die „Alldeutschen“ in ihrer Verurteilung der Repräsentanten der Weimarer Republik. Gegenüber deren parlamentarischen System betonten die „Blätter“ in den 1920er Jahren immer stärker völkische Herrschaftskonzepte, die sich mit der Forderung nach einer Rückkehr zur Monarchie oder gar der Errichtung einer Diktatur verbanden. In ihrem dezidierten Widerstand gegen die demokratische Gesellschaft der ersten deutschen Republik radikalisierten sich die „Blätter“ erkennbar, was 1924 in einem verbandsinternen „Arierparagraphen“ gipfelte.

 

Die „Alldeutschen Blätter“ werfen insofern ein Schlaglicht auf die Diskurslandschaft der rechtsnationalen Kreise des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Auf genuine Weise verbanden sie einen radikalen Nationalismus, rassistisch grundierte Überlegenheitsvorstellungen und ein imperiales Weltmachtstreben zu einem ideologischen Deutungsrahmen, von dem aus sie gegen koloniale Zurückhaltung und gesellschaftliche Demokratisierung agitierten und Topoi völkischer Programmatiken in der deutschen Öffentlichkeit verankerten. Durch ihr publizistisches Wirken schufen sie so weltanschauliche Bezugspunkte, an die nicht zuletzt die nationalsozialistische Bewegung in den 1920er Jahren anschließen konnte. Mit Blick auf die in der Forschung kontrovers diskutierte These einer Kontinuität zwischen dem slawophoben, rassistischen Kontinentalimperialismus der "Alldeutschen" und der späteren "Lebensraum"-Politik des NS-Regimes in Osteuropa sind die "Alldeutschen Blätter", die in der Arbeitsstelle für Geschichte der Publizistik von der Erstausgabe 1891 bis Ende 1917 mit Lücken (im Bestand: 1891-1893, 1894-1909, 1914-1917) auf Mikrofilm einsehbar sind, ein unentbehrlicher Quellenkorpus.

Diese Ausgabe des Publikationsorgans steht hier zum Download (im PDF-Format) bereit.

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