„Der Geächtete“ (1834-1835)
Publikationsorgan des Monats: Oppositionelle Kommunikationsräume im „Vormärz“ II
„Der Geächtete“ (1834-1835)
Die transnationalen Netzwerke des Sozialismus in der „Vormärz“-Zeit sowie ihre prominenten Akteure und bedeutsamen Presseorgane sind von der Forschung mittlerweile eingehend untersucht worden. Zugleich stellen aber weniger erfolgreiche Zeitschriften der sozialistischen Opposition nach wie vor geschichtswissenschaftliche Forschungslücken dar. Gerade Fragestellungen jenseits der üblicherweise in den Blick genommenen liberalen oder sozialistischen Diskurse bieten sich als weitergehende Analysefelder an. Um die ideologische und personelle Vielgestaltigkeit der „Vormärz“-Opposition umfassender vermessen zu können, sollte neben der Auseinandersetzung mit weniger verbreiteten Blättern in Zukunft verstärkt nach Geschichts- und Europakonzeptionen gefragt sowie Gender- und Religionsdebatten ausgeleuchtet werden.
Gegenüber der einflussreichen „Deutschen Tribüne“, die Thema der vorangegangenen Kolumne war, wirft die Zeitschrift „Der Geächtete“ ein ganz anderes Schlaglicht auf die gesellschaftlichen und politischen Dynamiken des „Vormärz“. Sie wurde von der in Paris tätigen Geheimgesellschaft „Bund der Geächteten“ im Januar 1834 ins Leben gerufen, der politische Emigranten aus Deutschland und in Frankreich arbeitende deutsche Handwerker angehörten. Einige dieser Akteure waren zuvor bereits Mitglieder im „Deutschen Volksverein“ gewesen, der als Pariser Zweigstelle des „Deutschen Preß- und Vaterlandsvereins“ organisiert war, jedoch zum Jahreswechsel 1833/34 verboten wurde. Angesichts der staatlichen Repressionsmaßnahmen fand man sich daher nun in einer konspirativen Gesellschaft von „Geächteten“ zusammen.
Vom französischen Exil aus richtete sich die vom Bund herausgebrachte frühsozialistische Zeitschrift an die deutschen „Vaterlandsfreunde“. Das Vorwort der ersten Ausgabe war als „Glaubensbekenntnis“ konzipiert und stellte den Kampf für ein als Republik „wiedergeborenes“ Deutschland der sozialen Gleichheit in den Mittelpunkt. Das Blatt propagierte eine konsequent demokratische Gesinnung und berief sich auf die in der Französischen Revolution verbreitete Idee allgemeiner Menschenrechte, in die den Formulierungen nach freilich nur Männer einbezogen waren: „Die Zukunft, der wir entgegensehen“, so eine Redaktionsbemerkung zur politischen Ausrichtung des „Geächteten“, „wird eine Zukunft der Freiheit, der Gleichheit und der Bruderliebe sein.“ Die Zeitschrift, deren programmatische Zielsetzung vor allem von dem ehemaligen Jurastudenten und Burschenschafter Jakob Venedey, dem Privatdozenten Theodor Schuster und dem Buchhändler Gerhard Pappers vorgegeben wurde, begriff die Überwindung des bürgerlich-proletarischen Klassengegensatzes als Befreiungskampf für ein national geeintes Deutschland. Das „zertretene, entwürdigte Deutschland“ sollte vom „Uebel“ des Sklaventums befreit werden, in dessen Zustand sich die „Bauern, Knechte, Tagelöhner“ und „Handwerker“ gegenüber den „Herren“ und „Gewalthaber[n]“ befänden.
Trotz aller Forderungen nach sozialer Gleichheit war der Geheimbund der „Geächteten“ streng hierarchisch strukturiert. Die Namen der redaktionellen Akteure war den einfachen Mitgliedern unbekannt – nicht zuletzt, um sie vor staatlicher Verfolgung zu schützen. Da eine breite Mobilisierung der Gesellschaft ausblieb und der ideologische Export in die Länder des Deutschen Bundes durch einen geheimen Ableger in Frankfurt am Main nur spärlich Wurzeln schlug, stellte der Geheimbund das Erscheinen des „Geächteten“ aufgrund von Finanzierungsproblemen nach nur zwölf Ausgaben Mitte 1835 wieder ein.
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