zum Inhalt springen
Publikationsorgan des Monats: Juni '25

Mediale Alltagswelten in der DDR

Publikationsorgan des Monats: „FF dabei“ (1946-1996)

Kaum mehr als 20 Minuten habe es gedauert, stellte ein interner Bericht des Postzeitungsvertrieb der DDR im April 1989 fest, bis die Programmzeitschrift FF dabei in den meisten ostdeutschen Städten an ihrem Erscheinungstag restlos ausverkauft gewesen sei. Lange Warteschlangen, die sich bereits in aller Früh an den Kiosken gebildet hatten, aufgebrachte Kunden, die leer ausgingen, tausendfach abgelehnte Abbonnementbestellungen – das waren Tatsachen, die im „Arbeiterstaat“ nicht öffentlich diskutiert werden sollten. In kaum einem anderen Publikationsorgan spiegelten sich die Ambivalenzen des „Zeitschriften-Leselands DDR“ (Simone Barck, Martina Langermann u. Siegfried Lokatis) prononcierter wider als in der FF dabei. Eine unstillbare Nachfrage aus der Bevölkerung, die durchschnittlich etwa 70% ihrer Lesezeit dem Medium der Zeitschrift widmete, traf auf ein durch chronischen Papiermangel, ungenügende Druckfarbe und defizitäre Druckkapazitäten verknapptes Angebot. Ein staatlich gelenktes Mediensystem, das die eindeutige Ausrichtung am sozialistischen Weltbild und eine entsprechende Selbstzensur der Redakteure verlangte, traf auf ein hohes Informations- und Unterhaltungsbedürfnis der Zeitgenossen. Wie mit einer Sonde können wir anhand der FF dabei, die mit Jahresdurchschnittsauflagen von weit über 1 Millionen Exemplaren den ersten Platz im ostdeutschen Zeitschriftenmarkt einnahm, die vergangene mediale Alltagswelt der DDR ausloten.

„Politischer Rundfunk?“ fragte die erste Ausgabe der Programmzeitschrift in eigener Sache, als sie, damals noch unter dem Namen Der Rundfunk, unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1946 in Ostberlin erschien, um ihre Leserschaft durch das wöchentliche Rundfunkangebot zu begleiten. Dem angeblich unpolitischen Rundfunk der Weimarer Republik einerseits und der kriegstreibenden „Holzhammernarkose“ der nationalsozialistischen Propaganda andererseits stellte die neue sozialistische Rundfunkführung den politisierenden Mittelweg einer „behutsamen, aufklärerischen Arbeit“ entgegen. Sie solle das Radio „zum Wecker schlummernder Werte, […] zum Rufer und Mahner unserer geistigen Erneuerung“ werden lassen. Neben der üblichen Programmübersicht der ostdeutschen Sender, Porträts von Künstlerinnen und Künstlern aus Musik, Literatur und Schauspiel, kleinen Comic-Stripes und vielen Illustrationen bedeutete dies konkret einen Fokus auf die einschlägigen Themen der sozialistischen Weltanschauung. Dazu gehörten die angeblichen Erfolge der internationalen Arbeiterbewegung, das enge Band zur Sowjetunion und ihren weltweiten Bruderstaaten, der gesellschaftliche Klassenkampf und – alsbald unter deutlich negativen Vorzeichen – das Verhältnis zu Westdeutschland.   

Mit der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 und der zunehmenden Zementierung der Blockbildung in Ost und West löste die BRD die Feindbilder der verkommenen ersten deutschen Republik und des NS-Faschismus ab. Sowohl der unterstellte Hedonismus der ersteren als auch die Barbarei des letzteren, so die sozialistische Überzeugung, existierten in Westdeutschland kontinuierlich fort. Im April 1961 – die Zeitschrift hieß mittlerweile FF, berichtete sie nun doch über das ostdeutsche Wochenprogramm von Funk und Fernsehen – wetterte der Leitartikel „Für die Sendepause“ gegen die „Bonner Militaristen“. Das „Triumvirat Adenauer-Strauß-Schröder“ würde die westdeutschen Sender zur Generalabrechnung mit der DDR zwingen, um die zwischenstaatliche „Temperatur in Gefrierpunktnähe zu halten“. Demgegenüber ließ sich ein positives Bild der DDR-Medien zeichnen: „Unsere Presse, unser Rundfunk als gesprochene und unser Fernsehen als gesehene Zeitung wenden sich an Herz und Verstand der Leser, Hörer und Zuschauer, begeistern, mobilisieren und befähigen sie in Deutschlands Osten zur sozialistischen Erneuerung.“ (Nr. 25) 

Nachdem die FF den Bau der Mauer Mitte August 1961 zunächst drei Wochen totgeschwiegen hatte, wurde er Anfang September schließlich auf ähnliche Weise eingeordnet. Die Mauer diene dem Schutz der eigenen Bevölkerung, um „einer Meute von Verbrechern das Handwerk“ zu legen, die aus Bonn koordiniert werde: „Sie können jetzt an ihre ausersehenen Opfer nicht mehr heran, sind jetzt in Westberlin unter sich, die Organisatoren der Spionage, des Menschenfangs und Kindesraubs, des Währungsschwindels.“ Aber versperre der Mauerbau denn nicht den Weg zur Wiedervereinigung, vertiefe gar die Spaltung innerhalb Deutschlands? Eine Wiedervereinigung könne nur nach sozialistischen Prinzipien erfolgen, so die FF. Das aber sei derzeit mit der BRD nicht zu realisieren. Denn ansonsten drohe eine Wiedervereinigung, „an deren Ende ein klerikal-faschistisches Deutschland und damit die todsichere Einheit der Deutschen im Massengrab stünde.“ (Nr. 36)

Pünktlich zum 20. Jahrestag der Gründung der DDR kam es 1969 schließlich zu einer letzten Umbenennung der Zeitschrift. Aus FF wurde FF dabei. Die Umbenennung reflektierte dabei nicht nur die Neuerungen im Medienangebot. Neben den bisherigen Fernsehfunk DFF 1 trat mit DFF 2 Ende der 1960er Jahre ein weiteres Programm. Außerdem sendete das DDR-Fernsehen erstmals in Farbe. Entsprechend gab es für die FF dabei fortan mehr zu berichten, der Seitenumfang wuchs an. Darüber hinaus sollte der neue Name aber vor allem das integrative Miteinander von Gesellschaft, Medien und Politik betonen. Dabei verhieß kommunikative Partizipation und eine programmatische Offenheit gegenüber den medialen Konsumbedürfnissen der ostdeutschen Bevölkerung. Das Ziel, die Programmzeitschrift als publizistisches Scharnier zwischen den staatlich kontrollierten Medien und deren Rezipienten auszubauen, hatte sich seit ihrer Gründung in dem Abdruck von Leserbriefen und Preisausschreiben niedergeschlagen. So organisierte die FF zudem regelmäßige Diskussionen mit „dem Hörer“, die in den abgedruckten Berichten als „Aussprachen“ charakterisiert wurden. Die Hörerinnen und Hörer erschienen in diesen nicht als „Wortkonsumenten, die hinnehmen, was ihr Gerät in die gute Stube trägt“, sondern als gleichberechtigte, kritische Kommunikationspartner. Die Umbenennung sollte diese Inszenierung von bürgerlicher Teilhabe nun auch semantisch greifbar machen. Gab sich das Mediensystem der DDR, das über das Staatliche Komitee für Rundfunk und Fernsehen sowie das Presseamt durch die Staatsführung der SED zentral gesteuert und überwacht wurde, damit den Anstrich von Transparenz, blieben die engen Grenzen des medial Sagbaren und deren Zensurhürden nichtsdestotrotz bestehen. 

Erst zum Ende des Jahres 1989 weichte das rigide Medienregime der DDR allmählich auf. Schon kurz vor dem Fall der Mauer am 9. November konnte die Leserschaft der Zeitschrift „frischen Wind“ in der Medienpolitik registrieren – so zumindest das offizielle Zauberwort in der FF dabei, mit dem die Staatsführung der seit Herbst wütenden Protestwelle den Wind aus den Segeln zu nehmen und ihr eigenes Überleben zu sichern erhoffte. Bereits seit Oktober standen führende Politiker des Regimes im neuen Live-Format „Donnerstagsgespräch“ Zuschauerinnen und Zuschauern Rede und Antwort. Hier wurden, so die bewusst positive Formulierung der Zeitschrift, „offen, konstruktiv und verständlich dringende Fragen beantwortet und gestellt.“ Abgedruckte Leserbriefe an die FF dabei, die ihre Begeisterung angesichts dieser „kritische[n] und ehrliche[n], aber auch schöpferische[n] […] Gesprächsrunde“ äußerten, sollten der medienpolitischen Wende, die bis zum Fall der Mauer lediglich punktuell vollzogen wurde, Glaubwürdigkeit verleihen. Über die Ereignisse am 9. November verlor die Zeitschrift zwar kein Wort. Doch der Zusammenbruch des staatlichen Medienmonopols war nicht mehr aufzuhalten. Ab Mitte Dezember lieferte die FF dabei Kurzfassungen der zuvor noch als militaristisch und lügnerisch gebrandmarkten Fernsehprogramme der BRD. Und auch die Einschaltquoten des DDR-Fernsehens, ein stets gut gehütetes Geheimnis des zuständigen Komitees, seien, so hieß es Anfang Dezember, von nun an nicht länger „Top secret“. Doch das half weder der DDR-Führung noch der FF dabei. Unmittelbar nach der Wiedervereinigung brach die Auflage der Zeitschrift rasant ein. Nach mehreren Verlagswechseln erschien sie ab 1996 nur noch als kleine Beilage der Fernsehzeitschriften TV Today und TV Spielfilm für deren Bezieher aus den neuen ostdeutschen Bundesländern.

In der Arbeitsstelle für Geschichte der Publizistik liegen die FF dabei und ihre Vorgänger für den Zeitraum von 1946 bis 1991 vollständig auf Mikrofilm zur Einsicht bereit. Die Zeitschrift bietet einen dreifachen Einblick in die mediale Alltagswelt der DDR: Einerseits lässt sich mit ihrer Hilfe das konkrete mediale Angebot von Musik, Film und Nachrichten in Radio und Fernsehen zwischen staatlicher Lenkung und gesellschaftlichen Konsumbedürfnissen rekonstruieren. Mögliche Fragestellungen reichen von der Geschlechter- und Körpergeschichte bis hin zur Geschichte der Werbung. Andererseits erlaubt sie es, die Sprachregelungen, Sagbarkeitsregime und Inszenierungsstrategien zu analysieren, mit denen in der ostdeutschen Diktatur über Radio und Fernsehen – und damit über Leitmedien schlechthin – kommuniziert worden ist. Schließlich gibt die FF dabei einen umfassenden, weil multimedialen Einblick in die staatlich forcierte Durchsetzung sozialistischer Ideologie und die Verbreitung und Verfestigung ihrer weltanschaulichen Deutungsmuster durch Presse, Funk und Fernsehen. 

Diese Ausgabe des Publikationsorgans steht hier zum Download (als PDF) zur Verfügung.

*